Ein Schockmoment

Hallo liebe Leute,

nun ist es ein zweites Mal soweit, dass ich mich in Christinas Namen bei Euch melde. Zwar konnte ich Christina bislang noch nicht fragen ob das okay ist, aber ich denke das ist in ihrem Sinne. Aber von vorne:

Seit dem letzten Eintrag von Christina ist tatsächlich viel geschehen und ich hoffe ich kann den Werdegang korrekt wiedergeben.

Nierenwerte und stationäre Aufnahme vor Pfingsten

Christinas Nierenwerte haben den Ärzten vor Pfingsten nach wie vor arge Sorgen gemacht und so hieß es Anfang der letzten Woche im Rahmen einer der vielen Routinekontrollen, dass die Ärzte sie gerne stationär dabehalten wollen, da neben den Nierenwerten auch die Entzündungswerte einen unberuhigenden Verlauf nahmen. Gesagt getan. Der nächste Ansatz war nun, die Schienen wieder zu entfernen, da sie zum einen als mögliche Ursache für die steigenden Entzündungswerte vermutet wurden und zum anderen nicht die verhoffte Entlastung der Nieren bewirkt haben. Wenn ich es noch richtig im Kopf habe, wurden stattdessen nun Stents gelegt, da sie etwas größer und unflexibler sind. Zudem haben die Ärzte versucht, die Nieren direkt zu entlasten, indem die Nierenbecken katheterisiert wurden. D.h. Christina hat seitdem zwei Schläuche mit Beuteln aus dem Rücken laufen, durch die der Harn direkt abfließen soll. Ich glaube das trifft so ziemlich den Stand von kurz vor Pfingsten.

OP und Entwicklung über das Pfingstwochenende

Zwar waren die Nierenwerte durch den Eingriff nun leicht rückläufig, aber noch immer viel zu hoch. D.h. die erhoffte Entlastung hatten wir noch immer nicht erreicht. Immerhin waren die Entzündungswerte auf dem Weg der Besserung, sodass man mit den „alten“ Schienen, wohl den Entzündungsherd ausgemacht hatte.

Wie ihr noch aus den früheren Einträgen rund um die Blase wisst, ist es sehr wichtig, die Blase stetig zu spülen. Auf diese Weise kann das Blut, was die Blase durch diverse Reizungen abgibt, nicht gerinnen und zu Blutkoageln führen, denn daraus ergab sich schon so oft ein sehr schmerzhafter Harnverhalt, der wiederum eine OP zur Folge hat. Ärgerlicherweise hat das mit dem Spülen nach dem Eingriff nicht in einem kontinuierlichem Tonus funktioniert. Aus welchem Grund auch immer, haben die Pfleger es viele Male nicht zeitig geschafft, neue Flüssigkeitsbeutel anzuhängen, sodass kein stetiger Fluss gegeben war. Die Folge: Blutkoagel, Blasenkrämpfe und die Überlegung, ob man nochmal operiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte Christina schon so ziemlich die Maximaldosis an Schmerzmitteln erreicht, die sie täglich nahm. Ein hinzugerufener Urologe bestätigte, dass man nun eigentlich wieder operieren müsse, doch nach Rücksprache mit seinem Oberarzt waren die Urologen sich einig, dass die Blase mittlerweile einfach zu sehr Pulverfass sei, als dass man nun wieder an selbiger „manipulieren“ wolle. Der neue Ansatz lautet wie folgt:

Die Urologen wollen es nun bewusst zu dem befürchteten Harnverhalt kommen lassen, d.h. die Spülkatheter wurden gezogen und man lässt die Blase sich mehr oder weniger „einbluten“, sodass sie sich sozusagen selbst von innen heraus verschließt, da das Blut ja letztlich gerinnt. Dadurch, dass im Endergebnis keine Flüssigkeit mehr von „oben“ in die Blase fließen kann, erhoffen die Ärzte sich, dass der Urin direkt aus den Nierenbecken durch die Nierenkatheder abfließen kann. D.h. die Blase wäre theoretisch einmal komplett aus dem Spiel genommen. Dieser Prozess soll allerdings sehr schmerzhaft sein, weswegen u.A. eine Spinalanästhesie vorgesehen war, ähnlich der, wie sie beispielsweise bei Geburten eingesetzt wird. Soweit kam es allerdings nicht…

Entlastung des Bauches

Christina klagt schon seit langem über Wasser in ihrem Bauch. Das war immer mal mehr und mal weniger und hat aber häufig dazu geführt, dass sie ein derartiges Völlegefühl hatte, dass sie kaum mehr was essen oder trinken konnte. Bei ihrem Gewicht, den ganzen Medikamenten und bei der Blasen- und Nierenproblematik ist es natürlich wichtig viel zu trinken – ein Teufelskreis, wie ihr euch vorstellen könnt. Nun war es am Pfingstmontag soweit, dass sich die Ärzte diesem Problem angenommen haben und den Bauch punktiert haben, um den Bauch zu entlasten. Tatsächlich haben sie vier Liter Wasser ablassen können und dazu zählt noch nicht einmal das Wasser, was sie zusätzlich in den Beinen einlagert. Nun kennt ihr Christina alle und sie ist gefühlt schon immer nicht viel mehr als ein Strich in der Landschaft gewesen. Rechnet man nun die vier Liter Wasser und das Wasser in den Beinen ab, so bleibt nicht mehr viel Gewicht über. Entsprechend wird sie im Krankenhaus künstlich ernährt.

Not-OP

An diesem Tag war Christina eigentlich ganz gut zurecht. Die Ärzte hatten die Schmerzmittel erhöht, sodass sie mehr oder weniger schmerzfrei war und wir beide waren froh, dass sich endlich mal der Problematik des Bauchwassers angenommen wurde. Christina war durch die Medis zwar sehr schläfrig und diffus, aber immerhin entspannt. Gegen 17:00 Uhr sowas hat Christina allerdings doch über Schmerzen im Bauch geklagt – insbesondere, wenn sie tief einatmete. Da ja nun gerade vier Liter Wasser aus ihrem Bauch geflossen sind, war das zunächst nichts, was die Ärzte beunruhigt hätte. Es konnte natürlich sein, dass der Schlauch, der immer noch in Christinas Bauch steckte, nun bei niedrigerem Bauchvolumen irgendwo Schmerzen verursachte. Sicherheitshalber wurde aber ein Ultraschall gemacht und ein Termin beim Röntgen vereinbart, um abzuklären, ob der Schlauch wohl möglich den Darm beschädigt hat. Ich war eigentlich im Begriff zu fahren und habe die Ärztin noch gefragt, ob ich warten könne oder wie lange das wohl dauern würde. Ehrlicherweise müsse man von zwei Stunden ausgehen, sagte sie mir. „Dann kann es ja nicht so akut sein“, dachte ich mir und so habe ich mich von Christina verabschiedet. Zuhause angekommen habe ich mich gegen 19:00 Uhr bei der Station nach dem Röntgen erkundigen wollen. Die Schwester hat mir dann allerdings keine Auskunft geben können und meinte, dass die Ärztin mich zurückrufen würde. Um kurz nach acht, rief die Ärztin dann zurück und sagte mir, dass das Röntgen ohne Befund verlaufen sei. Allerdings habe Christina danach zunehmend abgebaut, da sie innere Blutungen habe. Man habe sie in ein künstliches Koma versetzt, intubieren müssen und sie auf die Intensivstation gebracht. Dort haben die Ärzte ihr viele Blutkonserven und Blutgerinnungsmittel gegeben und sie sei nun auf dem Weg ins CT, um den Ursprung der Blutung auszumachen. Ein Anruf bei dem Arzt auf der Intensivstation ergab, dass Christina im Rahmen der Punktion eine Verletzung in der unteren Bauchdecke erlitten habe und sie nun operiert werde, um die Blutung zu stoppen. Gegen Mitternacht könnte ich ein Ergebnis erfragen.

Gegen 0:00 Uhr konnten die Ärzte mir sagen, dass die OP soweit gut verlaufen sei und nun die nächsten Stunden geschaut werden müsse, ob die Blutung nicht wieder ausbricht. Die Blut- und Kreislaufwerte seien aber momentan stabil und wenn ich diese Nacht keinen Anruf von ihnen bekäme, so könne man vorsichtig Entwarnung geben und sie möglichweise am nächsten Tag aus dem künstlichen Koma holen.

Ich habe Christina am nächsten Morgen besucht und mitbekommen, wie sie aus dem Koma geholt wurde. Kein Pfleger und kein Arzt haben unabhängig voneinander eine Gelegenheit ausgelassen, um Christinas Mutter und mir zu sagen, wie knapp das den Tag zuvor war. Der Arzt hat sich noch bei mir entschuldigt, dass er sich abends nicht eher bei mir gemeldet hat, aber sie seien alle zu sehr mit Christina beschäftigt gewesen. Später habe ich erfahren, dass der HB zuletzt nur noch bei 3,0 gewesen sei. Christina habe keine Würge-, Husten- oder Schmerzreflexe mehr gezeigt und war nicht mehr ansprechbar.

Aktueller Stand am 12.06.19

Nun, da Christina wieder aus dem Koma erwacht ist, ist sie immer noch nicht wirklich ansprechbar. Mal reagiert sie auf Fragen mit Kopfnicken oder Kopfschütteln, ein anderes Mal schaut sie noch durch einen durch. Ähnlich wie bei einer Reanimation, muss sich der Körper nach so einer Schocksituation erst von dieser erholen. So kann es schon sein, dass Reaktionen verlangsamt sind und es ein wenig Zeit braucht. Es ist auch noch offen, ob Christinas Nieren oder andere Organe Schaden davongetragen haben. Das wird sich jetzt alles im Laufe der Tage klären, denke ich.

Ich bin momentan einfach nur dankbar, für alle Schutzengel, die vorgestern für Christina da waren. Ich habe den größten Respekt vor allen Pflegern und Ärzten, die es sich tagtäglich zur Aufgabe machen, Leben zu retten. Und ich bin dankbar für alle Menschen, die Blut spenden, ohne dass Christina nun nicht mehr unter uns wäre.

Alle die, die sich scheuen oder aus welchen Gründen auch immer den letzten Termin zur Blutspende verpasst haben möchte ich sagen: Denkt bitte nochmal drüber nach…

Ein Gedanke zu „Ein Schockmoment“

  1. Hallo Simon,
    Danke dafür, dass du Christinas Blog – ganz bestimmt ist das in Ihrem Sinne – mit den neuen Informationen aktualisierst.
    Ich bin erschüttert und gleichzeitig erleichtert. Diese Quälereien auch nur annähernd nachzuvollziehen ist gar nicht möglich.

    In Gedanken sind wir bei euch und halten weiterhin die Daumen gedrückt. Liebe Grüße an Christina, bleibt tafer.
    Martin, Eva und Liz. – Bis später.

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