Nach so einer Stammzellentransplantation muss man ziemlich viel berücksichtigen und ist in seinen Freiheiten doch sehr begrenzt, wie ich feststellen muss. Mir war nicht klar (wieder mal), dass die Einnahme der Immunsuppressiva, von deren Notwendigkeit ich zwar wusste, das Immunsystem derart schwächt, dass ich mich über die gesamte Einnahmezeit so verhalten muss, als wäre ich in Aplasie. Gut, könnte man denken, das kennen wir ja. Allerdings ist der Zeitraum nun beträchtlich länger. Minimal nimmt man das Medikament für 100 Tage ein, danach wird es langsam ausgeschlichen. Bei Reaktionen (GvHD, s.o) dauert das Ausschleichen natürlich länger und kann sich auch über 1 Jahr ziehen. Davon gehe ich nicht aus, aber dennoch, bin ich jetzt 100 Tage (30 sind bereits geschafft) in Allem was ich tue absolut eingeschränkt. Menschenmengen muss ich meiden, zu den vielen Feiern, Geburtstagen, etc., zu denen ich im Sommer eingeladen bin, kann ich nicht gehen. Ich darf nicht auswärts Essen, was bedeutet, dass ich mich auch nicht mal mit Jemanden auf einen kleinen Snack auswärts verabreden kann. Getränke auswärts gehen nur aus geschlossenen Flaschen. Mal gemütlich einen Kaffee trinken, ist nicht möglich. Stellt sich auch die Frage ob in einem Café nicht sowieso eine zu große Menschenmenge anzutreffen ist. Mein soziales Leben wird eingeschränkt und das ist doch das was ich noch habe, wo das Berufliche gerade sowieso stillsteht. Ich darf nichts Frisches zu mir nehmen, kein rohes Obst oder Gemüse und nur wärmebehandelte Milchprodukte. Das bedeutet den ganzen Sommer keine Fruchtgetränke, keine Cocktails, keine Erdbeeren oder anderes frisches Obst, das man im Sommer so gerne isst. Eisessen geht auf gar keinen Fall! Mit der Sonne muss ich aufpassen und darf mich nur im Schatten aufhalten. Alles was ich öffne, muss ich nach 24 Stunden entsorgen. Das stellt mich echt vor eine Herausforderung. Nüsse, Müsli, Körnerbrot ist alles verboten. Also man kann sagen, das wovon ich mich sonst ernährt habe, ist jetzt verboten. Ich bin übergegangen zu einer Tiefkühl-Ernährung (alles Ungesunde, was in den Backofen kann, darf ich nämlich essen). Frisches Gemüse kochen darf ich nur, wenn ich die Zutaten mit Mundschutz und Handschuhen zubereite und dabei x Mal die Messer und Brettchen wechsel. Das ist mir zu stressig. Ein Gericht aus frischen Zutaten gibt es also nur am Wochenende, wenn mein wunderbarer Mann für mich kocht. Eigentlich dachte ich, ich wäre gegen Ende des Jahres wieder die Alte, aber leider weiß ich nun, dass das Immunsystem mindestens ein Jahr braucht, bis es sich ganz aufgebaut hat. Dies bedeutet z.B. ein Jahr kein Besuch von Schwimmbädern, etc. Ich habe das Gefühl, ich bin raus aus allem!
Ich habe aber die Hoffnung und da halte ich auch ganz stark dran fest, dass sich die strengen Regeln vielleicht doch etwas aufweichen mit Verlauf der Zeit und mit dem Aufbau des Immunsystems. Dennoch finde ich es ziemlich schwer mir vorzustellen, jetzt so lange so eingeschränkt zu sein und es macht mich manchmal wütend, wobei ich glaube, dass die primäre Emotion wohl Traurigkeit sein wird. Wenn ich überlege, dass mir diese Transplantation das Leben gerettet hat, dann sollte ich jetzt nicht meckern, sondern nichts als dankbar darüber sein, dass ich alles so gut überstanden habe und es mir gerade so gut geht. Manchmal fühle ich mich schlecht, weil ich sauer über all die Einschränkungen bin und mich verzweifelt frage, wie ich das aushalten soll über die lange Zeit. Ich glaube, dass mein Problem nicht diese 100 Tage sind, sondern einfach die Dauer der Erkrankung. Es hieß immer: Christina, es ist ein Sommer, den du verpasst. Nun ist es der dritte Sommer. Seit 2 Jahren bin ich eingeschränkt. Mal mehr mal weniger, aber nie wirklich unbeschwert. Ich musste in diesen 2 Jahren auf sehr viel verzichten und nun geht das noch eine ganze Zeit so weiter. Es gibt viele, für mich wichtige Events und Feiern, die ich verpasse. Es wäre doch so wichtig Zeit mit Freunden zu verbringen, Spaß zu haben, zu lachen, unbeschwert zu sein. Ich wünsche mir einfach ein Stück Unbeschwertheit zurück. Ein Leben ohne Mundschutz, ohne Desinfektionsmittel, ohne Sorgen über Infektionen und Gedanken darüber was ich wann essen darf. Ich bin dankbar, aber trotzdem bin ich traurig und wütend, was mir das Gefühl gibt undankbar zu sein.