Was ich so berichten kann…

Es ist mal wieder lange her. Es geht mir psychisch auch wieder etwas besser. Ich renne nicht den ganzen Tag depressiv herum, was ich aber auch vorher eigentlich nicht getan habe. Ich war und bin einfach etwas frustriert und ich muss zugeben, dass es mir im Moment auch weiterhin oft schwer fällt. Oft bin ich traurig und auch wütend, manchmal ist es aber auch einfach nur noch Resignation. Es sind winzige Kleinigkeiten. Ich laufe durch die Stadt, was ich sehr selten tue und sehe, dass dort alles für den Emsdettener September aufgebaut wird. All die Fressbuden und Bierstände sorgen für einen dicken Kloß im Hals und Tränen in den Augen. Ich habe nicht die Freiheit selbst darüber zu entscheiden ob ich bei dem wunderschönen Wetter über den Emsdettener September gehen möchte, einfach was total Ungesundes an einer Bude esse oder mir in der Sonne einen riesigen Eisbecher gönne. Brauchen tut man das alles nicht und man kann sicherlich auch drauf verzichten. Wahrscheinlich wäre ich nicht mal hingegangen. Es aber nicht zu dürfen, das macht es so schlimm. Ich bin wirklich froh darüber, dass ich bei den letzten Hochzeiten dabei sein konnte und die Köche mir doch tatsächlich mein privates Essen gekocht haben, ein Traum. Doch dann alleine nach Hause zu fahren und sich dort alleine aufs Sofa zu setzten, während alle anderen so richtig anfangen zu feiern, das treibt einem wirklich die Tränen in die Augen. Naja, aber wie gesagt, es geht mir schon wieder besser und vor allem unter der Woche geht es mir gut. Die Arbeit ist ein unwahrscheinlicher Segen und riesiger Halt für mich. Auch wenn ich dort mit dem Mundschutz arbeite, ist alles irgendwie so normal. Ich mache meinen Job genauso gut oder schlecht wie vorher. Ich mache ihn gerne und ich kann auch Zuhause stundenlang weiterarbeiten, wenn ich möchte. Es macht alles etwas normaler, es gibt mir einen Alltag. Die Wochenenden sind schwieriger, da mir dort immer viel bewusster ist, wie eingeschränkt ich doch bin, was ich alles verpasse und wie gerne ich aus dieser Situation ausbrechen würde.

Ich weiß, dass ich auf hohem Niveau klage. Es könnte mir viel schlechter gehen und leider geht es auch Vielen nach der Transplantation wesentlich schlechter. Dies mitzubekommen ist nicht immer leicht und bringt mich oft zum Nachdenken. Erst vor kurzem ist eine total liebe Frau verstorben, die ich wenige Tage vor ihrem Tod noch auf der Transplantationsstation besucht hatte. Das ist wirklich sehr sehr schwer für mich. Es ist schrecklich, ich war vollkommen erschüttert und fühlte mich plötzlich so hilflos. Ich hatte ihr noch Mut zugesprochen und sie gebeten weiter zu kämpfen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie es nicht schaffen würde. Auch konfrontiert es mich immer wieder damit, dass auch ich noch nicht 100% über den Berg bin. Ich bin noch nicht gesund, noch immer enorm gefährdet, ob für eine GvHD-Reaktion oder eine Infektion. Ich habe viele Mitpatienten kennengelernt, die später verstorben sind und daran habe ich doch immer schwer zu knacken. Zum einen ist es so schrecklich, dass diese tollen Menschen den Kampf gegen den Krebs verloren haben und zum anderen zeigt es mir immer wieder wie gefährlich diese Erkrankung ist. Daran möchte ich aber eigentlich lieber nicht so oft erinnert werden…

Ich wünsche mir für all die lieben Menschen, die ich kennenlernen durfte, die gekämpft, aber den Kampf verloren haben, dass sie bei Gott in Frieden ruhen und dass ihre Familien und Angehörigen in ihrer Trauer Unterstützung finden werden und irgendwann wieder nach Vorne blicken können.

Ich kann auch nicht immer lächeln

Ich und meine zuversichtlichen Sichtweisen…vielleicht sollte ich damit einfach mal aufhören… Ich bin maximal frustriert, wütend und traurig! Was war ich zuversichtlich, dass ich bald etwas weniger eingeschränkt sein würde. Voller Hoffnung habe ich drauf hin gefiebert, dass das Immunsuppressiva abgesetzt wird und dann noch ein ganz paar Wochen warten und dann endlich… Alles hat schon viel länger gedauert als ganz am Anfang erwartet, aber ich habe mich in Geduld geübt, habe mich immer wieder ermahnt nicht unvorsichtig zu werden und motiviert durchzuhalten. Und jetzt reicht es noch immer nicht? Ich kann nicht mehr! Das Immunsuppressiva ist jetzt abgesetzt, es sind schon zwei Wochen vergangen, aber die Ärzte machen mir keine Hoffnung, dass es in nächster Zeit anders werden wird. Nun verliere auch ich meine Hoffnung und meine Zuversicht, meinen Willen sowie meine Vernunft. Ich darf wohl auf lange Sicht nicht mit dem Zug fahren. Die Ärzte sagen mir immer wieder, dass es sehr sehr gefährlich sei. Ich habe weiterhin das Immunsystem eines Neugeborenen und sie hätten bei der letzten Grippewelle einige ziemlich fitte KMT-Patienten verloren, die an der Grippe verstorben seien. Sehr aufbauend, finde ich. Ich bin auf den Zug angewiesen und wenn man mal weiter denkt, was bedeutet denn die Aussage sonst noch? Menschenmengen sind also weiterhin schlecht, Grippezeit ist so bis April…Mhhh was heißt das jetzt? Wieder kein Weihnachtsmarkt und sonstige Dinge? Doch kein Urlaub und einfach mal raus, in nächster Zeit? So genau weiß ich es nicht, aber ich habe meine Zuversicht verloren, dass es in nächster Zeit besser werden könnte.
Es geht mir so gar nicht mehr gut damit, dass ich alles verpasse. Ich bin froh, dass ich so fit bin, aber das führt auch einfach zu einer unglaublichen Diskrepanz zwischen meinem körperlichen Empfinden und dem was ich sein soll. Ich fühle mich nicht mehr richtig krank. Mir fehlt zwar noch etwas Kraft, aber ansonsten habe ich wahnsinnig Glück und fühle mich gut. Ich bin aber nicht gesund, ich habe kein Immunsystem und soll mich vor allem in Acht nehmen. Ich will das nicht mehr und ich habe das Gefühl, dass ich auch einfach nicht mehr kann. Ständig muss ich aufpassen, das was ich gerne essen oder machen würde, darf ich nicht. Nicht nur mal für drei Wochen, nein, seit mehr als 4 Monaten nicht und nun auch für noch länger nicht. Junggesellinnenabschiede meiner besten Freundinnen, Hochzeiten der besten Freunde, alle Geburtstage, die gerade groß gefeiert werden, unsere erste Stammtischtagestour und ich? Ich sitze Zuhause, wieder einmal, ich sehe die Partybilder, den Spaß, die Unbeschwertheit und könnte einfach nur noch verzweifeln. Lasst mich gerne weiter teilhaben, es hat nichts mit euch zu tun und ihr könnt ja nun mal auch nichts für meine Situation. Es ist einfach wie es ist und ich muss da durch. Und naja das mit dem Nachholen, das ist wirklich lieb gemeint, aber sorry ganz ehrlich wie soll ich denn das Feiern mit allen auf der Hochzeit von sehr guten Freunden nachholen? Wie den JGA-Abschied einer Freundin oder die Stammtischtour? Irgendwann werde ich wieder feiern und teilhaben können und vielleicht werde ich auch irgendwann ein Stück Unbeschwertheit zurück gewinnen, aber das wird noch so lange dauern…zu lange…

Ach wahrscheinlich ist auch heute nur wieder ein schlechter Tag….vielleicht ist es morgen auch wieder besser…aber ich merke einfach, dass es mir sehr sehr schwer fällt zu akzeptieren, dass das alles noch so weiter gehen soll…..